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Ich will doch nur spielen – Ein Artikel zum Nachdenken

ZEITmagazin 5. September 2009  von Tanja Stelzer

Eltern fördern ihre Kinder heute wie nie zuvor – und helfen oft mit Therapien und Medikamenten nach. Aber welchen Preis bezahlen die Kinder für den Erfolg?

Vera Klischan, Schulleiterin der Hamburger Gorch-Fock-Grundschule, sitzt in ihrem Büro und wartet darauf, dass der Reisebus auf den Parkplatz vor ihrem Fenster rollt. Die 3b kommt von einer Klassenfahrt zurück. Sie machen jetzt übrigens Reisen völlig ohne Programm. Eine Woche ausspannen. Nichts tun: im wohlhabenden Blankenese , wo die Grundschule liegt, ist das der wahre Luxus – für die Eltern mit ihren wichtigen Jobs wie für die Kinder, die nicht weniger beschäftigt sind.

Das ganze Land redet von Förderung, davon, wie Kinder mithalten können im internationalen Vergleich – und diese Schule lernt das Runterkommen? Das Loslassen? Das hat damit zu tun, dass es den Kindern, die hier zur Schule gehen, nicht so blendend geht, wie man denken könnte. Obwohl zu Weihnachten und zu den Geburtstagen keine nennenswerten Wünsche ausgelassen werden, obwohl die Kinder gebildete Eltern haben, hoch- und höchstqualifiziert im Beruf, fürsorglich im Privaten. Diesen Kindern wird Aufmerksamkeit geschenkt, manche würden sagen: Sie werden so sehr geliebt wie keine Generation vor ihnen.

Obwohl man also bessere Startchancen kaum haben könnte im Leben, ist es hier nicht anders als überall sonst im Land, quer durch die Schichten: Kinderärzte verschreiben schätzungsweise einem Drittel der Schüler Stunden beim Ergotherapeuten, beim Logopäden, beim Lerntherapeuten. Man fragt sich, wann die Kinder Zeit haben, in ihren liebevoll eingerichteten Zimmern zu spielen: Sie gehen zum Hockey, zum Tennis, zum Segeln, zur Musikstunde, manchmal haben sie an einem Nachmittag zwei bis drei Programmpunkte zu absolvieren. Und dann eben noch die Therapie.

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